AfD: "Wer sich jetzt nicht wehrt, hat Anspruch auf Schicksal"

Rede des hessischen NaturFreundes Arno Enzmann zur Demonstration „Keine AfD im Landtag!“

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„Wer sich jetzt nicht wehrt, hat Anspruch auf Schicksal, das war schon die bittere Lektion von 1933“ – mit dieser Warnung beendete Arno Enzmann, stellvertretender Landesvorsitzender der NaturFreunde Hessen, seine Rede auf der Abschlusskundgebung der Demonstration des Bündnisses „Keine AfD im Landtag!“ in Wiesbaden.

Fast 2.000 Menschen waren am 19. August 2018 gegen einen möglichen Einzug der AfD in den Hessischen Landtag auf die Straße gegangen, darunter viele NaturFreundinnen und NaturFreunde. Die Demonstration und Kundgebung wurden von einem breiten Bündnis getragen, in dem sich unter anderem die NaturFreunde Hessen, Gewerkschaften, mehrere Parteien, der Zentralrat der Muslime und die Katholische Arbeitnehmerbewegung zusammengetan hatten.

Der Redebeitrag von Arno Enzmann in Auszügen:

[...]
 
Ich spreche für den Verband der NaturFreunde und es mag der ein oder andere sich wundern, warum ein Naturschutzverband sich gegen die AfD positioniert.
 
Warum ist es unvereinbar, Mitglied im Verband der NaturFreunde zu sein und gleichzeitig die Politik der AfD zu akzeptieren?  
 
Dies ist einfach erklärt. NaturFreunde treten ein für eine Welt ohne Kriege, gegen Ausbeutung und Unterdrückung, für soziale Gerechtigkeit, internationale Gesinnung, Völkerverständigung und den Schutz der Natur. So steht es in unserem Leitbild. Und dies gilt für unseren Verband seit mehr als hundert Jahren. Ja, wir hören die süßen Flötentöne der AfD sehr wohl, wenn es um Umweltschutz geht. Aber natürlich wollen sie kein Glyphosat, natürlich schützen sie die Umwelt, dem kleinen Mann soll es ja gut gehen, deshalb fördern sie auch die Landwirtschaft. So hören wir es von AfD Repräsentanten. Das freut den NaturFreund, der aber spätestens dann, wenn er sich gegen Agrarfabriken, für die Energiewende und nachhaltige Lebensführung eintritt, postwendend als Ökoterrorist beschimpft wird.  
 
Wer den von Menschen beeinflussten Klimawandel leugnet, wie es die AfD tut und dies auch noch in ihre sogenannten Programme schreibt, dem fehlt es entweder an Hirn, oder er lügt mit anderer Absicht. Wer wie Frau von Storch eine Klage gegen die Sonne (so sagte sie in einem Interview) empfiehlt, muss entweder dumm oder durchtrieben ober beides sein. Wir könnten nichts gegen den Klimawandel tun, erklärt dann auch Herr Gauland im bundesweit ausgestrahlten Interview, weil es den schon immer gegeben habe.  

NaturFreunde rufen Natur-, Umwelt- und Sozialverbände auf, sich am Widerstand gegen die AfD zu beteiligen
 
Hier wird in Wahrheit deutlich, was die AfD von Nachhaltigkeit, Umweltschutz und gesunder Ernährung hält. Aus diesem Grund rufen wir NaturFreunde alle Natur-, Umwelt- und Sozialverbände auf, sich am Widerstand gegen die AfD zu beteiligen. Wir dürfen uns nicht am warmen Kaminfeuer unserer internen Wertevorstellungen einkuscheln. Nein, auch unsere Freiheit und unsere Selbstbestimmung ist bedroht. Gerade die NaturFreunde, die im Hitlerregime verboten waren, können nur aufrufen: „Wehret den Anfängen“.
 
Wir dürfen den organisierten Widerstand nicht der Parteienlandschaft überlassen. Hier beginnt man sich bereits zu arrangieren. Und das geht über bayerische Verhältnisse hinaus. Wenn ein Herr Biesenbach, dummerweise Justizminister in NRW, erklärt, man müsse die Rechtsprechung (wie im Fall Sami A.) auch in Einklang mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung bringen, fragt man sich schon: Wer ist die Bevölkerung, die er meint und welches Rechtsempfinden soll das sein? Schauen wir auf Pegida, schauen wir auf die aktuellen Wahlergebnisse: Ist das das Rechtsempfinden? Diejenigen, die 1933 das Naturfreundehaus in Wiesbaden, das alte Heidehäuschen, enteignet, zertrümmert und zerschlagen haben, haben sich auch auf das Volksempfinden berufen. Die Folgen haben unsere Großeltern und Eltern zu Genüge kennengelernt. Hier wird Demokratie und Kultur massiv bedroht.
 
Liebe Freunde, ich bin 1944 geboren und gehöre zu der Generation, die dem trügerischen Glauben aufgesessen ist, nach all den Lehren des dritten Reichs sei unser demokratisches System nicht mehr zu gefährden. Und heute: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Bertholt Brecht hat offenbar nicht nur an die Vergangenheit, sondern auch an die Zukunft gedacht.  
 
Da gibt es die AfD in der man schon mal auch das Schießen auf Flüchtlinge für legitim erklärt. Da erklärt ein AfD-Landratskandidat im nahen Mai-Kinzigkreis das Teeren und Federn missliebiger Personen für die richtige Reaktion. Wir erleben einen Werteverfall in unserer Gesellschaft, wie wir ihn seit 1945 nicht mehr erlebt haben. Der Mensch als Individuum wird mehr und mehr abgewirtschaftet. Er verliert seinen Wert, wird zum Kostenfaktor, zum Störenfried der vermeintlichen Sicherheit, der persönlichen Idylle. Auch wenn es keine reale Bedrohung gibt.  
 
[...]
 
Warum müssen wir ständig erklären, dass Menschenfeindlichkeit schlecht ist? Ist das nicht eine Selbstverständlichkeit?
 
Liebe Mitkämpfer aller Verbände, Vereine und Initiativen: Der Kampf um soziale Gerechtigkeit allein – so notwendig er ist – löst das Problem dieser Gesellschaft nicht. Unsere gesamten Werte stehen zur Disposition. Es geht um Freiheit, Gerechtigkeit, den Schutz unserer Lebensgrundlagen und die Solidarität mit der dritten Welt. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, Rückschritte dieser Werte nach dem Motto – legal – illegal – scheißegal – hinzunehmen.

Zwei Aussagen eines Herrn Höcke zum Schluss. Er sagt: „Wir müssen Deutschland Stück für Stück zurückholen!“. Von wo eigentlich? Und: „Wir brauchen den vollständigen Sieg der AfD.“ Nein, den brauchen wir nicht. Und es ist egal, ob im Bund oder Hessen, weder in Städten noch auf dem Land.
 
Wer sich jetzt nicht wehrt, hat Anspruch auf Schicksal, das war schon die bittere Lektion von 1933.  
 
Damit wünsche ich euch einen friedlichen und nachdenklichen Sonntag.
 
Arno Enzmann
Stellvertretender Landesvorsitzender der NaturFreunde Hessen

 

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Naturfreundehaus Heidehäuschen
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65201 Wiesbaden
Übernachtungsplätze vorhanden
Selbstversorgerhaus