Jeder Krieg ist auch ein Klimakiller

Militärs blenden die eigenen Umweltsünden regelmäßig aus

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Die Welt steht vor einem Jahrhundert der Nachhaltigkeit und globalen Kooperation oder aber vor einer dramatischen Zeit der Verteilungskonflikte und Kriege. So warnt der NaturFreunde-Bundesvorsitzende Michael Müller seit Langem. Demnach droht ein Teufelskreis aus ökologischen und sozialen Krisen sowie aus Verteilungskämpfen, Hochrüstung und Gewalt.

Bei der NATO gelten Umweltprobleme schon seit mehr als 50 Jahren als Sicherheitsfragen. Als erste global tätige Großorganisation installierte das Bündnis auf Initiative der USA 1969 ein Umweltkomitee, das Expertisen zu Luftverschmutzung, Lärmbelastung oder Abfallbeseitigung vorlegte. Seinerzeit ließen die vom Club of Rome prognostizierten „Grenzen des Wachstums“ militärisch auszutragende Verteilungskonflikte um Ressourcen wie Erdöl oder Metalle erwarten. Auch wollten die USA über das Komitee ihr Modell einer technisierten Umweltpolitik, die Schäden repariert, statt sie zu vermeiden, global durchsetzen. Zudem führten die USA in Vietnam den ersten totalen Umweltkrieg, setzten bis 1971 großflächig Agent Orange, ein Umweltgift zur Entlaubung der Wälder, als Kriegswaffe ein. Agent Orange enthielt hochgiftiges Dioxin, griff in das Erbgut von Tieren und Menschen ein und führte zu schrecklichen Missbildungen. Das NATO-Umweltkomitee sollte den Imageverlust durch den Krieg abmildern und dem in die Krise geratenen Bündnis zu einem fortschrittlichen Anstrich verhelfen.

Bundeswehr ohne Plan

Der Aktionsplan zum Klimawandel, den die NATO letztes Jahr in Brüssel verabschiedete, verweist auf dieses Umweltkomitee. Der NATO-Plan sieht im Klimawandel einen „Bedrohungs-Mulplikator“. Der Klimawandel erschwere durch extreme Temperaturen, Anstieg des Meeresspiegels und die Zunahme von Unwettern die Erfüllung militärischer Aufgaben. Tauender Permafrostboden, Wüstenbildung und die Öffnung neuer Schifffahrtswege könne zur Zunahme von Instabilität und geostrategischer Konkurrenz beitragen. Die NATO will den Klimawandel bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Verteidigung, Krisenmanagement und Sicherheit nun stets berücksichtigen.

Der Aktionsplan erwähnt, dass die NATO-Mitgliedstaaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hätten, um die Erderwärmung zu begrenzen. Das Bundesverteidigungsministerium schrieb aber über die Verabschiedung des Plans, „die Zielsetzung des Pariser Abkommens, die weltweite Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius, besser unter 1,5 Grad zu halten, scheint kaum mehr erreichbar“. Klimaforscher*innen hielten „heute langfristig eine globale Erwärmung von etwa drei Grad für realistischer“.

Nach seinem Wahlsieg gegen den Klimaleugner Trump ordnete US-Präsident Joe Biden sogleich an, die Klimakrise in die US-Militärstrategie einzubeziehen. Das US-Verteidigungsministerium ist aber selbst der größte Emittent von Treibhausgasen, verbraucht mehr fossile Brennstoffe als jede andere Institution oder jedes Unternehmen weltweit. Die US-Army investiert mittlerweile auch in die Erneuerbaren. Sie will Energie umweltgerecht selbst produzieren und weltweit Standorte unabhängig von öffentlicher Energieversorgung machen. Bei der Bundeswehr findet Klimaschutz nicht statt. Obwohl die Truppe über geeignete Flächen verfügt, unterhält sie nur ein einziges Windrad. Das könnte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nun ändern, schließlich gehört sie einem Umweltverband, den NaturFreunden, an.

Ausgaben für Rüstung sechs mal so hoch wie für Klimaschutz

Kriege haben verheerende Folgen für Umwelt und Klima. Sie verbrauchen riesige Mengen an Treibstoffen. Brände und Explosivstoffe setzen viel Kohlendioxid frei. Es bleiben verwüstete Städte und Landschaften zurück, die mit Munition, hochgiftigen Schadstoffen oder radioaktiven Schwermetallen verseucht sind. Der Ukrainekrieg hat dazu geführt, dass Europa von normalem Erdgas auf besonders umweltschädlich gefördertes Frackinggas umsteigt. EU-Staaten und die USA haben Subventionen für fossile Energieträger massiv erhöht, statt sie abzusenken.

Alle Staaten weltweit geben sechsmal mehr Geld für Rüstung aus als für Klimaschutz. Die USA sind mit Abstand Spitzenreiter. Sie zahlen mehr als doppelt so viel für Militär wie Russland und China zusammen. Nur internationale Zusammenarbeit kann die Klimakrise eindämmen. Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Unterzeichnerstaaten zur Kooperation verpflichtet.

Wenn sich Militärblöcke waffenstarrend gegenüberstehen, kann kein Klimaziel erreicht werden. Wegen des enormen Kohlendioxid-Fußabdrucks der Rüstung und wegen der Verschwendung von dringend zur Bekämpfung der Armut benötigter Ressourcen. Eine glaubhafte Kooperation im Klimaschutz braucht eine weltweite Abrüstungs- und Entspannungspolitik.

In puncto Sicherheit soll die Bundeswehr es nun richten. Aber sie ist ein Fass ohne Boden. Erhält sie doch Jahr um Jahr drastisch mehr Haushaltsmittel, ohne im Sinne der Militärs besondere Leistungsfähigkeit zu zeigen. Während Expert*innen die finnische Armee als äußerst kampfkräftig einschätzen, hat die Bundeswehr, die mit ihrem 50-Milliarden-Jahresetat über das Fünffache an Mitteln verfügt, Mühe mehr als 5.000 Soldat*innen in Kampfbereitschaft nach NATO-Kriterien zu halten. Wo die Milliarden schon heute versickern, mag man erahnen, wenn der Börsenkurs des Rüstungskonzerns Rheinmetall nach der Kriegsrede von Kanzler Scholz am 27. Februar binnen weniger Tage um satte 130 Prozent nach oben klettert.

Nun droht der Bundeswehrhaushalt zusätzlich zu den schon vorgesehenen Steigerungen um weitere 100 Milliarden Euro erhöht zu werden. Das strebt eine informelle Großkoalition aus SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU für die Zukunft an. Angesichts des jüngsten dramatischen Berichts des Weltklimarates wäre das eine unverantwortliche Bindung von Mitteln für Destruktion statt für mehr Klimasicherheit.

Hans-Gerd Marian