Mehr als 120.000 Menschen protestieren bereits gegen höhere Rüstungsausgaben

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„Ich möchte, dass wir von dem Wahnsinn des Wettrüstens wegkommen.“ So lautete die Überzeugung des Friedensnobelpreisträgers und früheren Bundeskanzlers Willy Brandt. „Es gilt sich gegen den Strom zu stellen, wenn dieser sich wieder einmal ein falsches Bett zu graben sucht.“

Heute sind wir wieder in einer Situation, in der wir uns gegen den Strom stellen müssen. Denn erneut wird an der Rüstungsspirale gedreht. Die Militärausgaben sollen bis zum Jahr 2024 nahezu verdoppelt werden auf dann zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Das wäre eine Steigerung um rund 30 Milliarden Euro; Geld, das dringender an anderen Stellen gebraucht wird – für Soziales, Bildung, Klimaschutz, für Infrastruktur und die Entwicklungshilfe.

Gegen die Stärkung der militärischen Machtpolitik

Gegen die Erhöhung des Rüstungshaushaltes kämpft die Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“ und hat inzwischen mehr als 120.000 Unterschriften gesammelt. Zu den Unterzeichner*innen gehören unter anderen der Nobelpreisträger Paul Crutzen, die Gewerkschafter Frank Bsirske und Reiner Hoffmann, die Theologin Margot Käßmann und der Sänger Udo Lindenberg. Die NaturFreunde engagieren sich im Arbeitsausschuss der Initiative und machen ebenfalls öffentlich Druck. Denn in der Politik gibt es nur wenige Kräfte, die sich gegen die neue Rüstungswelle stellen. Offenkundig gibt es seit einigen Jahren eine schleichende Verschiebung hin zu einer Stärkung militärischer Machtpolitik. Das ist falsch. Militär löst keine Probleme.

Das Zwei-Prozent-Ziel schärft einen unübersehbaren Widerspruch: Nicht einmal ansatzweise gibt es denselben Druck für die Einhaltung der Klimaziele, obwohl sie durch die UNO weltweit eine hohe Verbindlichkeit haben. Dabei gefährdet die Erderwärmung tatsächlich die Zukunft der Menschheit. Natürlich gibt es Konflikte, die Sorgen bereiten: der Bürgerkrieg in der Ostukraine, der Stellvertreterkrieg in Syrien oder der Terrorismus, der immer wieder sein brutales Gesicht zeigt. Doch nun haben neue Nationalist*innen wie Donald Trump die Weltbühne betreten, die aus unterschiedlichsten Gründen die große Rüstungsmaschine wieder anwerfen wollen. Die Militarisierung als Mittel der Außenpolitik und das Säbelrasseln nehmen zu. Dazu gehört auch, dass entlang der 1.300 Kilometer langen Grenze zwischen der EU und Weiß-/Russland die militärischen Manöver massiv zunehmen, vor allem die sogenannten Alarmübungen.

Deshalb ist es notwendig, erneut für eine Friedens- und Entspannungspolitik einzutreten. Auch weil es um die Einsicht geht, dass wir Frieden nicht ausschließlich als Nicht-Krieg definieren können. Selbst wenn die Waffen – hoffentlich – in Europa schweigen, so wird dennoch tagtäglich Gewalt ausgeübt – sozial wie ökologisch. Damit stellen sich neue Fragen: Wie viel erträgt die ramponierte Erde noch? Welche Folgen hat der maßlose Energie- und Rohstoffverbrauch? Werden daraus Klima- und Ressourcenkriege?

Das Engagement der NaturFreunde ist gefragt

Wir brauchen schnell zivile Antworten auf die drängenden Fragen, die nicht zuletzt über Krieg oder Frieden entscheiden werden. Was müssen wir tun, um die Erderwärmung zu stoppen? Was muss die EU für eine nachhaltige Welt tun? Welchen Beitrag muss Europa leisten, damit es zu einer gerechten und fairen Weltordnung kommt?

Derzeit ist von der Hoffnung auf eine friedliche Zusammenarbeit in der Einen Welt, die zumindest kurz nach dem Zusammenbruch der zweigeteilten Welt vorhanden war, nichts mehr zu spüren. Dabei ist unverändert richtig: „Wer den Frieden will, der muss für den Frieden arbeiten“. Die drei großen Europäer Willy Brandt, Olof Palme und Gro Harlem Brundtland haben dafür wichtige programmatische Grundlagen geschaffen: „Gemeinsames Überleben“, wie der Nord-Süd-Report hieß, „Gemeinsame Sicherheit“ für eine europäische und internationale Sicherheitspolitik und „Gemeinsame Zukunft“ durch die Zusammenführung von Umwelt und Entwicklung. Gemeinsamkeiten suchen, das war das Leitmotiv dieser drei Berichte.

Heute herrschen wieder Abgrenzung und Rechthaberei vor. Es geht leider nicht um die Suche nach Gemeinsamkeiten, die bei allen Konflikten und Differenzen notwendig sind. Deshalb ist eine neue Entspannungspolitik notwendig. Macht mit. Unterzeichnet den Aufruf. Legt ihn aus und werbt auf euren Veranstaltungen für die Ziele von „Abrüsten statt Aufrüsten“.

Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands