Wie der Ludwigsburger Künstler und NaturFreund Otto Beer gegen Rechts kämpft

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Ein Panzer treibt eine Menschenmenge an eine Weggabelung. Eine der beiden Routen ist durch Stacheldraht versperrt. Die Zweite ist offen, kann jedoch augenscheinlich nur mit Booten befahren werden. Das Wasser ist aufgewühlt. Otto Beer hat diese Szene im Jahr 2016 geschaffen – oder besser gesagt: mit einer Kettensäge in einen Baumstamm gesägt. „Europa stellt die Weichen“ nannte der bildende Künstler und NaturFreund aus Murr bei Ludwigsburg sein Werk. Es ist sowohl ein Sinnbild als auch eine Anklage: Vor Krieg und Gewalt nach Europa fliehende Menschen müssen den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer nehmen, weil die Europäische Union die Landgrenzen für Flüchtende geschlossen hat.

Was kann Kunst bewirken bei diesem Verlust an Menschlichkeit und Empathie? Ein Verlust, der offensichtlich mit dem immer stärker aufkommenden Rechtspopulismus und -extremismus einhergeht. Was kann Kunst leisten gegen die zunehmende Abschottung und den grassierenden Rassismus? Gegen den Hass, gegen den Egoismus, auch gegen die Angst?

Der bildende Künstler Otto Beer (65) arbeitet bevorzugt mit der Kettensäge und ist seit 40 Jahren Mitglied bei den NaturFreunden Ludwigsburg.
www.otto-beer.de

Ausstellungsorte:
Backnang (Helferhaus: 13.9.–4.10.2020)
Heilbronn (Zigarre: November 2020)
Ulm (Stadthaus, Pfingsten 2021 zum Festival contre le racisme)
Termine können sich aufgrund der Corona-Krise ändern.

In der Region Stuttgart kursiert gerade eine Ausstellungsreihe, konzipiert von sechs Künstler* innen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzt, insbesondere dem Spannungsverhältnis zwischen der Kunst und einer wie auch immer gearteten „Volksseele“. Ganz bewusst gibt es dabei einen Bezug zur Kampagne „Kein Mensch ist illegal“ und ganz bewusst versteht sich die Ausstellung als Teil einer politischen Bewegung, zu der sie ihren künstlerischen Anteil beitragen will.

Einer der ausstellenden Künstler*innen ist Otto Beer, ein anderer ist Peter Schmidt. Der ebenfalls schon lange gegen Rechts agierende Künstler schreibt zum Ausstellungskonzept: „Autonomie und Parteilichkeit bilden in der Kunst keinen Gegensatz, Zweckfreiheit meint nicht, keine politische Position zu beziehen. Die Kunst argumentiert, vermittelt Wissen, bringt Denken und Fühlen zusammen, vermittelt ästhetische Erlebnisse, die sehr wohl politisch sein können.“

Kunst, die Horizonte öffnet

Schmidt betont, dass die Kunst Horizonte öffnen könne, wo sich die Volksseele nur um sich selbst sorge: „Die Volksseele verbreitet Angst, sie redet von ‚Flüchtlingsflut‘ und spottet über ‚Gutmenschentum‘. Sie will für sich bleiben und sucht Gemeinschaft dort, wo nur Volksgemeinschaft zu finden ist. Die Kunst dagegen kann mit Vielfältigkeit umgehen, kann ironisch sein, kann mit scheinbar harmlosem Spiel beginnen, ohne den großen Ernst aus den Augen zu verlieren. Sie kann sogar Baumstämme in Menschlichkeit verwandeln.“

Otto Beer hat sich gewissermaßen auch verwandelt. Er ist ein Kettensägen-Künstler-Autodidakt, der über die Architektur zur Kunst kam und zuerst nur in der Freizeit malte und zeichnete. Dann eine eher zufällige Gartenarbeit, ein Baum musste gefällt werden: „Ich bin an der Sägerei hängen geblieben“, sagt er.

Künstlerisch gibt es für Otto Beer zwei Herangehensweisen. Entweder hat er ein Stück Holz und fragt sich: „Was ist das Besondere an diesem Stamm, was steckt in dem Holz, wo ist die Figur?“ Und dann geht es direkt los. Weil er immer nur wegnehmen kann, will die Arbeit gut überlegt sein. Die herausgesägten Holzfiguren wirken dann oft sehr unmittelbar, sehr direkt.

Oder es gibt zuerst die Idee, was vor allem bei seinen politischen Arbeiten so ist. Diese wird dann in Skizzen und Modellen immer weiter verdichtet, bis sie schließlich in der Skulptur ihren endgültigen Ausdruck findet. So oder so: Otto Beers Kunst beschäftigt sich mit dem Menschen und der Menschlichkeit. Und jedes Stück Holz ist anders, die Haptik, die Risse, der Geruch.

In den ausgestellten Arbeiten setzt er sich mit den Kernelementen des Rechtspopulismus auseinander: der Angst, dem Egoismus, dem Nationalismus und dem Hass. Und er zeigt die Folgen: Ausgrenzung, Abschottung, Verlust an Empathie und Solidarität und Entstehen von Gewalt.

„Angst, Hass und Egoismus sind die Grundlage des Populismus“, meint auch Konzeptkünstler Peter Schmidt. Der Verlust sozialer Verortung in der Moderne, das Verlorengehen von Gewissheiten bringe Verunsicherung und Ängste mit sich. Aber anstatt sich um Solidarität zu bemühen, entstehe die Sehnsucht nach rechten Lagerfeuern, so Schmidt. Die diffuse Angst werde personalisiert und Sündenböcke gefunden. „Nazis und Populisten sollten beim Wort genommen werden“, empfiehlt Schmidt. „Dann wird die Unerträglichkeit ihres Redens und Handelns deutlich.“

Die Ausstellungsreihe „LASST DIE VOLKSSEELE KOCHEN!“ tut genau das mit den Mitteln der bildenden Kunst. Sie ist an wechselnden Orten zu sehen und offen für weitere.