Wölfe: NaturFreunde Sachsen fordern sachliche Debatte

Stellungnahme des NaturFreunde Sachsen zur „Bautzener Erklärung“ vom 28.11.2017

Am 29. Januar 2018 wurde die „Bautzener Erklärung“ als Offener Brief an den Sächsischen Landtag übergeben. Darin erklären die vier Initiatoren, darunter der Landesjagdverband Sachsen, das „deutsche Wolfsmanagement“ für gescheitert und stellen mehrere Forderungen an die sächsischen Landtagsabgeordneten. Eine der Forderungen ist eine „ungeschönte Information der Bevölkerung“.

Mit dem Offenen Brief und den darin aufgestellten falschen Behauptungen tragen die Initiatoren allerdings selbst zu einer einseitigen Information der Bevölkerung bei und betreiben damit gezielt Stimmungsmache.

Die Erklärung erweckt den Eindruck, dass es in der Bevölkerung nur zwei Gruppen gibt, die sogenannten „Wolfsbefürworter“, die den Wolf verharmlosen und die Interessenkonflikte nicht erkennen und die sogenannten „Wolfskritiker“, die als Einzige noch Realitätssinn haben und die bestehenden Interessenkonflikte mit einer wie auch immer umgesetzten Regulierung der Wolfspopulation in Deutschland lösen wollen.

Die Spaltung der Gesellschaft durch Populismus scheint ein Phänomen der heutigen Zeit zu sein und deshalb möchten die NaturFreunde Sachsen gern mit den folgenden Ausführungen zu einer sachlichen Debatte beitragen. Die Fakten sind der Internetseite des Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ entnommen. Im Folgenden wird zu den zitierten Textpassagen der Bautzener Erklärung Stellung genommen.

„… das deutsche Wolfsmanagement ist gescheitert!“

Es gibt kein deutsches Wolfsmanagement. In 14 Bundesländern existieren Pläne für das Wolfsmanagement. Deren Aufgabe ist nicht die Regulierung der Wolfspopulation sondern das konfliktarme Nebeneinander von Wolf und Mensch.

Als erstes Bundesland entwickelte Sachsen 2009 einen Managementplan für den Wolf. Dieser basiert auf den drei Säulen Monitoring und Forschung, d.h. wissenschaftliche Überwachung des Erhaltungszustandes der Wolfspopulation, Öffentlichkeitsarbeit und Schadensprävention/ - begutachtung/ -ausgleich. Informationen zum Wolf und Ergebnisse des Monitorings veröffentlicht das Kontaktbüro unter www.wolf-sachsen.de. Der Managementplan in Sachsen diente als Vorlage für andere Bundesländer, in denen der Wolf heute auch sesshaft geworden ist.

Kritik an der Ausführung dieser Pläne ist natürlich berechtigt, aber von Scheitern kann wirklich keine Rede sein. Seit 2016 gibt es außerdem die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW), welche bundesweit aufbereitete Daten zum Vorkommensgebiet und der Bestandsentwicklung im Internet unter www.dbb-wolf.de zur Verfügung stellt.

„… wird von deutschen Regierungsvertretern weiterhin an der Politik der ungehinderten Ausbreitung von Wölfen festgehalten“

Die Bundesregierung hält sich an Gesetze! Im Bundesnaturschutzgesetz ist der Wolf als „streng geschützte Art“ aufgeführt. Damit verbunden ist ein Tötungsverbot. Im Rahmen des Wolfsmanagement ist darüber hinaus in Ausnahmefällen die Entnahme einzelner Wölfe gestattet.

Die Einordnung im Bundesnaturschutzgesetz leitet sich aus der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Kommission ab. In Anhang II dieser Richtlinie wird der Wolf als prioritäre Art geführt. Für prioritäre Arten ist das Ziel der Erhalt oder die Wiederherstellung eines „günstigen Erhaltungszustandes“.

Und nun stellt sich die Frage, was das ist? Nach aktuellem Stand ist der „günstige Erhaltungszustand“ einer isolierten Population bei 1.000 adulten, also erwachsenen Wölfen, erreicht.

Die Wölfe in Deutschland werden zur Mitteleuropäischen Flachlandpopulation gezählt, zu der auch die Wölfe in Westpolen gehören. In Deutschland gab es im Monitoringjahr 2016/2017 insgesamt 73 Rudel bzw. Einzelpaare, in Westpolen gab es im Monitoringjahr 2015/2016 insgesamt 53 Rudel bzw. Einzelpaare. Da die erwachsenen Tiere gezählt werden, ist also derzeit von ca. 250 erwachsenen Wölfen für diese Population auszugehen.

Kritisiert wird aktuell ob, die Zielgröße von 1.000 Tieren gerechtfertigt ist und ob es sich um eine isolierte Population handelt. Beides kann man hinterfragen, aber die Bundesregierung hält sich an bestehende Gesetze.

„Die tatsächliche Anzahl der Wölfe, insbesondere in Sachsen beträgt ein Vielfaches der verträglichen Populationsdichte und stellt WELTWEIT den absoluten Spitzenwert dar!“

In Sachsen gab es im Monitoringjahr 2016/2017 insgesamt 14 Rudel und 4 Paare. Das durchschnittliche Territorium eines Rudels beträgt 150-350 km², in der Oberlausitz ca. 250 km². Die Größe des Rudels schwankt im Jahresverlauf zwischen 5 und 10 Wölfen (Erwachsene, Jährlinge, Welpen). In der Lausitz beträgt die Wolfsdichte 2-3 Wölfe/100 km², vergleichbar mit anderen Wolfsgebieten in Mitteleuropa.

„Die Bevölkerung wird mindestens grob fahrlässig über die Gefahren, die von den meistenteils vorhandenen Wolf-Haushundhybriden ausgehen, im Unklaren gelassen.“

Der „Wolfsmanagementplan für den Wolf in Sachsen“ stellt klar: „Aus Gründen des Artenschutzes ist eine Entfernung von Hybriden aus der Population geboten.“ 2016 wurden im Bereich Rumburk Hybriden geboren und die Entnahme auch veranlasst. Auch bei verunglückten Wölfen erfolgen genetische Untersuchungen hinsichtlich der Möglichkeit der Hybridisierung. Die Informationen zu Hybriden stellt das Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ unter www.wolf-sachsen.de zur Verfügung.

Ohne Nachweis zu behaupten es handelt sich „meistenteils“ um Hybriden, ist eine Lüge. Auch in der Sächsischen Zeitung vom 16.2.2018 widersprechen Wissenschaftler der Hybridentheorie, die von Jägern und der AfD forciert wird.

„… bedeutet der ungehinderte, staatlich geförderte Populationszuwachs des Wolfes durch enorme Verringerung verschiedener Wildarten einen Verstoß gegen § 14 GG.“

Welche Wildarten sind denn gemeint? Sicher keine Wildschweine. In der Erklärung spricht man von indirekter Enteignung, gleichbedeutend mit Verfassungsbruch. Der Wolf darf sich also nicht ernähren, da er den Menschen damit zu wenig Tiere zum Erlegen übrig lässt. Hier stellt sich die Frage, ob die natürliche Regulierung des Wildbestandes im Interesse des Allgemeinwohls ist. Denn Art. 14 Abs. 3 GG lautet: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“. Über die Entschädigung muss man sich natürlich einigen.

„Wir fordern von Ihnen, (…) einen am Volkswillen orientierten, aber vorrangig dem der betroffenen Bevölkerung verpflichteten Umgang mit dem Wolf einzusetzen.“

Was verstehen die Initiatoren unter Volkswille? Mit der Erklärung vertreten sie die Meinung der Initiative wolfsgeschädigter und besorgter Bürger, des Vereins Sicherheit und Artenschutz, der Freien Jägerschaft Wittichenau und der in Sachsen anerkannten Naturschutzvereinigung Landesjagdverband Sachsen e.V. Daraus ergibt sich noch lange kein Volkswille!

Die von den Initiatoren aufgestellten 6 Forderungen zeigen deren geringe Sachkenntnis.

  • Statt Wolfsmanagement fordert man ein Wildtiermanagement. Und das obwohl die Interessenkonflikte bei Wölfen völlig andere sind als bei Rehen, Hirschen oder Wildschweinen.
  • Für den Wolf werden geeignete Schutzzonen gefordert, vorrangig bestehende Naturschutzgebiete und Nationalparks. Ein Wolfsrudel benötigt ein Territorium von durchschnittlich 200 km². Es gibt in Sachsen keine Naturschutzgebiete oder Nationalparks dieser Größe! Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet diese Forderung die Ausrottung der Wölfe in Sachsen.
  • Der Wolf soll bundesweit ins Jagdrecht aufgenommen werden. Ohne Recht auf Bejagung bringt das nichts außer mehr Bürokratie. Jäger sollten sich besser aktiv am bestehenden Wolfsmonitoring beteiligen!
  • Wolfs-Haushundhybriden sollen aus der Natur entnommen werden. Das passiert im Rahmen des Wolfsmanagements bereits.
  • Eine ungeschönte Information der Bürger soll die bisherige Berichterstattung ersetzten. Das ist purer Populismus!
  • Es wird eine öffentlich zugängliche Datenbank mit allen über Wolfsvorkommen bekannten Daten gefordert. Warum nicht, wenn diese wissenschaftlich betreut wird.

Den Initiatoren der Bautzener Erklärung, vor allem dem Landesjagdverband Sachsen, aber auch den Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern, empfehlen die NaturFreunde sich einer sachlichen Debatte anzuschließen und mit Sachverstand die Interessenkonflikte zwischen den Menschen und dem natürlichen Verhalten des Wolfes zu diskutieren.

Dazu gehört vor allem die Unterstützung der Weidetierhaltung, über die in der Erklärung kein einziges Wort fällt. Mit Populismus in der Politik spalten wir den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das sehen wir leider auch bei anderen gesellschaftspolitischen Themen.

Lernen wir daraus und verfallen nicht noch mehr dem Populismus!

Hubert Höfer
Landesfachbereichsleiter Natur und Umwelt
NaturFreunde Sachsen