NaturFreunde fordern Systemwechsel in der Landwirtschaft

Zu hoher Antibiotika-Einsatz in der Tiermast als Folge einer verfehlten Agrarpolitik

In Flüssen und Badeseen in Nordwestdeutschland wurden multiresistente Keime nachgewiesen. Besonders problematisch: In mehreren Gewässern unweit der Hochburg der Massentierhaltung im Raum Südoldenburg/Osnabrück wurde ein Gen gefunden, das immun gegen das Antibiotikum Colistin macht.

Dieses Mittel gilt als sogenanntes „Reservemedikament“. Es wird aufgrund potenzieller schwerwiegender Nebenwirkungen in der Humanmedizin nur in Notsituationen verabreicht – also wenn übliche Antibiotika bereits in ihrer Wirkung versagt haben. In der Landwirtschaft hat der Einsatz von Colistin nach Aussagen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) jedoch „eine erhebliche Bedeutung“.

Seit einigen Jahren sterben in den Krankenhäusern immer mehr Menschen an multiresistenten Keimen. Nicht zuletzt als Folge des tiermedizinischen Antibiotikaeinsatzes kommt es zur Ausbreitung resistenter Bakterien. „Neben den Abwässern aus Kliniken und Krankenhäusern zählen auch die landwirtschaftlichen Mastbetriebe mit hohem Tierbesatz zu den Quellen der Gewässerbelastungen durch multiresistente Keime“, so Dr. Joachim Nibbe, Bundesfachbereichsleiter Naturschutz, Umwelt und Sanfter Tourismus der NaturFreunde Deutschlands.

Mit der Gülle gelangen resistente Keime auf die Felder
Der hohe Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung hat strukturelle Ursachen. Deren Gründe liegen in einer verfehlten Agrarpolitik, die seit Jahren auf eine wachsende tierische Massenproduktion setzt. So können die Tiere in den eng besetzten Industrieställen in der Regel nur mit einer kontinuierlichen Beigabe von Antibiotika überleben. Riesenställe beispielsweise mit bis zu 40.000 Hühnern sind ein großer Infektionsherd. Bei Parasitenbefall lassen sich nicht mehr einzelne Tiere behandeln. Zwangsläufig müssen vorsorglich ganze Gruppen oder sogar der gesamte Tierbestand im Megastall mittels Trinkwasser- und Futtermittelzugaben mit Antibiotika versorgt werden. Die Folge: Über die Gülle aus den Mastbetrieben gelangen die resistent gewordenen Keime auf die Felder. Durch den Regen werden sie in die Gewässer geschwemmt. Dort bilden sie eine potenzielle Infektionsgefahr.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern daher nicht nur eine drastische Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tiermast, sondern auch das Verbot des Einsatzes einzelner Medikamente, die als Reserveantibiotika benötigt werden. Eine Änderung der bisherigen Praxis kann nur durch einen konsequenten Systemwechsel in der Tierhaltung und durch die Aufgabe von Intensivmastbetrieben erreicht werden.

Bauernhöfe statt Agrarfabriken
Nachweislich führen Änderungen in der Haltung – beispielsweise durch eine Reduzierung der Besatzdichte – oder bei der Fütterung zu einer Risikominderung. Eine Minderungspolitik, die auf die wachsende Gefahr abzielt, dass sich Tierhaltungskeime mit den antibiotikaresistenten Keimen aus der Humanmedizin verbinden, ist notwendiger denn je. Bestandsobergrenzen sowie artgerechte und flächengebundene Tierhaltung sind die wesentlichen Maßnahmen hierzu. Bauernhöfe können diese Maßnahmen strukturell deutlich besser umsetzen als Agrarfabriken. Die NaturFreunde Deutschlands setzen sich daher für einen konsequenten Systemwechsel in der Tierhaltungspolitik mit einer Abkehr von der Massentierhaltung ein.
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